Wenn du in deiner Kindheit schwere Demütigungen erfahren hast und es deiner Familie nicht möglich war, mit deinem Ärger, der Angst oder Traurigkeit darüber angemessen umzugehen bzw. all das auszudrücken, sind diese Gefühle weiterhin in deinem Gehirn und Körperzellen gespeichert. Du solltest wissen, dass ein Trauma entsteht, wenn ein Kind oder auch ein Erwachsener, die in ihm durch eine Situation entstehenden Gefühle nicht in seinem Tempo und ihm adäquat ausdrücken kann sondern unterdrückt bzw. unterdrücken muss. Das Nervensystem sorgt dafür, dass das Trauma im Körper und im Gehirn abgespeichert wird, bis du bereit und in der Lage bist, es bewusst zu verarbeiten.
Evolutionsbedingt sichert dieses Verhalten dein Überleben und Funktionieren in bedrohlichen Situationen.
Gleichzeitig vergisst du aber, dass du das nur in dieser einen Situation bzw. Übergangszeit getan hast. Das heißt, die Emotion bleibt im Körper und wartet darauf, endlich ausgedrückt und entladen zu werden. Sie kann also jederzeit in ähnlichen Situationen reaktiviert und reinszeniert werden.
Oft geschieht dies, wenn eine Hormonumstellung stattfindet, wie z. B. in der Pubertät oder den Wechseljahren bzw. anderen stressigen Situationen, wie einer Zurückweisung, heftigen Streitigkeiten, Krisen, Krankheiten oder bei Verlust eines geliebten Menschen. Sie können als zutiefst demütigend empfunden werden und dadurch alte Ängste und Aggressionen auslösen.
Beispielsweise wird schnell der unbewusste Hass auf ein Elternteil auf die Partner oder andere Personen projiziert, indem man sich ihnen und ihren Wünschen perfekt anpasst, um dann, wenn man sich ihrer Gunst sicher ist, dominant oder übergriffig zu beschimpfen.
Anstatt sich also mit dem zu zeigen, was wirklich in einem abläuft, was ich möchte, fühle und brauche, verleugne ich mich, grolle und projiziere den unterdrückten Ärger auf andere Personen. So reagieren diese natürlich hilflos oder wütend auf diese Unterstellungen. Es ist der Ausgangspunkt für eine Kette von Missverständnissen, die sich oft niemals auflösen, weil die wahre Ursache im Dunkeln schlummert.
Die meisten Menschen erleben so immer wieder Beziehungsdramen gleicher Art, um jene Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie als Kind nicht bekamen, um sich nicht wieder so zu fühlen, wie sie sich als Kind gefühlt haben. Dadurch vermeiden damit aber echte, liebevolle Begegnungen und Intimität mit sich und anderen und schaden damit einer gemeinsamen Beziehung - zu sich selbst und ihrem Gegenüber.
Diese Dramen werden unbewusst reinszeniert, laufen immer nach einem bestimmten Rollenschema ab. Entweder als verletztes, ausgeliefertes und ungeliebtes Opfer oder als der Verfolger bzw. Täter oder alternativ auch als der Retter, sprich Helfer enden sie mindestens mit unerfreulichen Gefühlen für alle Beteiligten. Sie können aber auch in heftigen Auseinandersetzungen, Trennungen, körperlicher Gewalt, Gerichtsverhandlungen, Krankenhausbesuchen, Beerdigungen und Kriegen enden.
Ich möchte damit bewusst machen, dass unerlöste, aktive Traumata nicht nur auf persönlicher, partnerschaftlicher und familiärer Ebene agieren, sondern natürlich auch am Arbeitsplatz, auf gesellschaftlichen, politischen, nationalen wie internationalen Bühnen.
So spricht Alice Miller in ihrem Buch „Am Anfang war Erziehung“ auch davon, dass Adolf Hitlers Rachezug gegen die Juden aus psychotherapeutischer Sicht eine Reinszenierung seiner eigenen Demütigungen war. Er wurde als Kind selbst durch seinen Vater schwer misshandelt und durfte sich nicht dagegen wehren, ja, wurde gezwungen, sich für die Misshandlungen dankbar zu zeigen.
Doch besteht neben der nach aussen gerichteten Aggression, auch die Möglichkeit sie in Form von Angst gegen sich selbst zu richten.
Darüberhinaus treten auch beide Formen in einem Menschen auf und münden oft in heftigen Angst- und Panikanfällen so wie Aggressionen und Gewaltphantasien bzw. -ausbrüchen.
Menschen, die diese gegen sich selbst richten, leiden häufig unter chronischen Krankheiten. Es ist also wichtig und enorm heilsam, sich ihrer bewusst zu werden, sie zu fühlen, in einem geschützten Umfeld zu entladen und zu entdecken, was darunter liegt.
Nun ist es aber die Natur eines Traumas, dass du mit dem Aufkommen traumatischer Erinnerungen und Gefühle, Angst verbindest und dass du deshalb alles tust, um sie nie wieder zu fühlen.
In anderen Worten: Das traumatisierte Kind lernt zu überleben, indem es so tut als sei nie etwas Schlimmes geschehen. Es idealisiert die Eltern, ja, die gesamte Situation und verleugnet damit, dass es je ein Problem gab.
Es lernt mehr und mehr, sich in scheinbar oder wirklich bedrohlichen Situationen zu dissoziieren, so zu tun als ob nichts sei, lieb und brav zu spielen, um eine Konfrontation mit der eigenen Wut zu vermeiden.
Für eine positive Veränderung ist es aber unabdingbar zu erkennen, wie du dich vor deinen Gefühlen und damit vor dir selbst schützt.
Es gibt da sehr viele Methoden.
Ein häufig anzutreffendes Verhaltensmuster findet sich bei enormer Angst vor dem Verlassen-, Bestraft- und Vernichtetwerden.
Zur erfolgreichen Vermeidung dieser Wut und des Schmerzes in der Vergangenheit beamt man sich vorsorglich durch Angstgefühle, Sorgen bzw. Schreckensszenarien weg (sog. Katastrophisierung). Als geschickte Ablenkungstatik wird ganz natürlichen Geräuschen wie dem Wind, der ums Haus fegt, dem Schlagen einer Tür oder einer Körperreaktion eine erschreckende Bedeutung gegeben und als real betrachtet. Die Folge ist ein Gefühl der ständigen Bedrohung und Überforderung bis hin zur energetischen Lähmung. Oft reagiert dann der Körper mit heftigen nervösen und körperlichen Symptomen wie Schwitzen, Unruhe, Nervosität, Rastlosigkeit, Hautrötungen, Nackenverspannungen, Kopfdruck, Gelenk- und Magen-Darm-Beschwerden auf die ständigen inneren Spannungen. Der innere Konflikt wird manchmal verstärkt, indem die körperlichen Symptome noch zusätzlich Angst machen.
Der Weg in die Freiheit ist das bewusste Durchfühlen aller im Körper gespeicherten Angst und Wut. Die verschiedenen Stellen werden besonders liebevoll gehalten und der Körper kann sich nach und nach entspannen. Mit einer gezielten Atmung kommt mehr und mehr Ruhe in das System. Stille breitet sich aus. Entladung und -spannung für ein über Jahre überfordertes Nervensystem.
Ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit, das du als ein Mensch, vor allem wenn du alleine auf dich gestellt bist und/oder in einem sehr betriebsamen Umfeld lebst – nur in der Stille, das, was du wirklich bist, finden kannst.